Systematik

Abb. 1: Verwandtschaftsbeziehungen der Hymenoptera zusammengefasst nach RONQUIST (1999), SCHULMEISTER et al. (2002) und VILHELMSEN (1997).
Abb. 2: Hypothesen zur Phylogenie der Aculeata nach OHL (2000) auf der linken Seite und der weniger optimistischen Sichtweise von RONQUIST (1999) auf der rechten Seite.
Folgende Großgruppen wurden farbig unterlegt: Apoidea (gelb), Vespoidea (blau), Chrysidoidea (rot).
Abb. 3: Maximum Likelihood-Baum einer molekular-systematischen Untersuchung anhand des „Long wave rhodopsin“-Gens von Aculeaten (OHL & BLEIDORN 2006). An den Ästen finden sich die Unterstützungswerte aus Bootstrap- und Bayesschen Analysen.

Die Hautflügler (Hymenopteren) umfassen derzeit über 150.000 beschriebene Arten, doch vermutlich sind noch einmal genau so viele unbeschriebene Arten zu erwarten (KRISTENSEN, 1999).

Traditionell werden die Hymenoptera in zwei Gruppen unterteilt: Symphyta (Pflanzenwespen und Verwandte) und Apocrita (Taillenwespen) (siehe Abb. 1). Die Symphyta stellen mit Sicherheit eine paraphyletische Gruppierung (keine geschlossene Abstammungs- gemeinschaft) dar, die aufgrund von für Hymenopteren ursprüngliche Merkmalen (Thorax deutlich in 3 Segmente gegliedert und breit an das Abdomen anschließend; relativ komplette Flügeladerung) zusammengefasst werden. Die meisten Arten dieser Gruppe ernähren sich herbivor und besitzen einen sägeartigen Legebohrer. Auffälligste und auch im westfälischen Raum am weitesten verbreiteste Vertreter sind die Tenthredinoidea (Blattwespen), zu denen beispielsweise auch die Große Birkenblattwespe (Cimbex femoratus) gehört. Die Orussidae (parasitische Holzwespen) weisen ebenfalls die oben aufgeführten typischen morphologischen Merkmale der Symphyta auf, haben aber im Gegensatz zu diesen eine parasitische Lebensweise (bspw. als Parasit holzbohrender Käferlarven). Orussiden werden als die Schwestergrupppe der Apocrita angesehen (siehe Abb. 1).

Die Apocrita umfassen den größten Teil der beschriebenen Hautflüglerarten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass im Gegensatz zu den Symphyta, dass erste Abdominalsegment (Propodeum) mit dem Thorax verschmolzen ist, während dass zweite (und manchmal dritte) Abdominalsegment als Petiolus ausgebildet ist. Die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Apocrita sind noch größtenteils unverstanden (Abb. 1), so dass häufig nur Aculeata (Stechimmen) und parasitische Taxa, welche alle übrigen Apocrita umfassen, unterschieden werden. Möglicherweise stellen die Ichneumonoidea die nächsten Verwandten der Stechimmen dar, dieses ist jedoch umstritten.

Auch innerhalb der Aculeaten (Stechimmen) ist die Phylogenie der Großgruppen umstritten (Abb. 2). Zumindest jedoch eine Zweiteilung in Chrysidoidea (rosa unterlegt) und Aculeata s.str. ist bisher in allen Analysen gut unterstützt worden. Die Aculeata s.str. werden dann von den meisten Autoren in Vespoidea (blau unterlegt) und Apoidea (grün unterlegt) unterschieden. RONQUIST (1999) führt jedoch an, dass die Monophylie (Geschlossenheit der Abstammungsgemeinschaft) der Vespoidea bisher nicht überzeugend demonstriert werden konnte. Interessanter Weise findet sich auch in einer molekularsystematischen Untersuchung von OHL & BLEIDORN (2006) zwar eine Unterstützung für die Monophylie der Apoidea und der Aculeata s.str. (siehe Abb. 3), wohingegen jedoch die Vespoidea paraphyletisch erscheinen. Weitere morphologische und vor allem auch molekulare Untersuchungen scheinen hier jedoch dringend von Nöten. Morphologische Untersuchungen haben gezeigt (und dieses wird auch von molekulargenetischen Analysen unterstützt, siehe Abb. 3), dass die Bienen – deren Monophylie unumstritten ist – eine Teilgruppe der Grabwespen darstellen (OHL 2000). Umstritten bleibt jedoch welche Teilgruppe der Grabwespen die nächsten Verwandten der Bienen darstellen. Einige morphologische Merkmale deuten jedoch auf die Crabonidae, bzw. eine Teilgruppe der Crabonidae hin (OHL 2000, MICHENER 2000). Weitere Teilgruppen der Grabwespen stellen die Ampulicidae (in Westfalen nur durch Dolichurus repräsentiert) und Sphecidae (bspw. Ammophila, Podalonia) dar.

Die Verwandtschaftsbeziehungen der Vespoidea sind bisher ebenfalls nur unzureichend aufgeklärt (Abb. 2). Ein Schwestergruppenverhältnis Scoliidae – Vespidae findet sich bei den meisten Autoren (BROTHERS 1999; OHL 2000) und die Formicidae (Ameisen) stellen möglicherweise die nächsten Verwandten dieser Gruppe da. Umstritten bleibt vor allem die Position der Pompilidae (Wegwespen). Während OHL (2000) eine engere Verwandtschaft zu den Formicidae (+ Scoliidae + Vespidae) favorisiert, stellen sie in der kladistischen (stammbaumdarstellende) Analyse morphologischer Merkmale von BROTHERS (1999) die Schwestergruppe der Mutillidae (Spinnenameisen) und Sapygidae (Keulenwespen) dar. Evtl. erscheint es bei dem derzeitigen Wissensstand als sinnvoller, sich der Meinung von RONQUIST (1999) anzuschließen, der die momentane Datengrundlage für unzureichend hält um die Phylogenie der Verspoidea aufzulösen (siehe Abb. 2 rechts).

Die Beziehungen innerhalb der Chrysidoidea scheinen dagegen besser unterstützt und die meisten Autoren gruppieren die Bethylidae (Plattwespen) mit den Chrysididae (Goldwespen) und die Dryinidae (Zikadenwespen) mit den Embolemidae.