Biologie

Die Bärtige Sandbiene (Andrena barbilabris) nistet bevorzugt in lockerem Sand. Der Eingang zur Brutröhre ist hier nicht zu erkennen. Nach der Landung taucht sie in den lockeren Sand ein und gräbt sich zu ihren Brutzellen vor.
© Ch. Venne
Die Grabwespe Ammophila sabulosa erbeutet bevorzugt die Raupen von Eulenfaltern.
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Die Goldwespe Chrysura cuprea parasitiert die Brutzellen schneckenhausbewohnender Mauerbiene Osmia rufohirta. Nach der Parasitierung putzt sich die Goldwespe ausgiebig.
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Die Stechimmen stellen eine Artengruppe innerhalb der großen Insektenordnung der Hautflügler (Hymenoptera) dar. Die bekanntesten Vertreter der Stechimmen werden von den Bienen, sozialen Faltenwespen und Ameisen repräsentiert (z.B. Hummeln, Hornisse und andere Papierwespen, Waldameisen). Diese werden mit einigen weniger populären Familien (Grabwespen, Wegwespen, Goldwespen etc.) zur Gruppe der Stechimmen zusammengefasst. Charakteristisches Merkmal der Stechimmen ist ein Stachel, der sich im Laufe der Evolution aus dem Legebohrer der Weibchen entwickelt hat und den männlichen Stechimmen somit fehlt. Dieser Stachel hat bei den meisten Arten Wehrfunktion oder dient zum Paralysieren von Beutetieren, kann aber in manchen Fällen zusätzlich noch als Legebohrer verwendet werden (Zikadenwespen) und ist nicht selten reduziert oder ganz verloren gegangen (z.B. bei den Waldameisen).

Im Unterschied zu den besonders bekannten sozialen Bienenarten (z.B. die domestizierte Honigbiene oder Hummeln) und sozialen Faltenwespen (z.B. Hornisse) lebt der überwiegende Teil der Stechimmenarten solitär. In diesem Falle legt jedes Weibchen für sich Brutzellen in verschiedenen Nistsubstraten an, die es mit Pollen oder Nektar (Bienen) bzw. tierischer Beute (z.B. Grabwespen) verproviantiert und anschließend mit einem Ei belegt. Die daraus schlüpfende Larve ernährt sich von dem eingetragenen Vorrat, verpuppt sich und entschlüpft der Brutzelle nach der Puppenruhe als Vollinsekt. Bei verschiedenen Bienenarten (inb. Furchenbienen) finden sich auch Zwischenformen von solitärer und sozialer Lebensweise. Bei zahlreichen Arten haben sich ausgeprägte Formen des Parasitismus entwickelt, die zu interessanten Vernetzungen vieler Arten untereinander führen. Ganze Gattungen von Bienen z.B. beschränken sich vollständig darauf, Brutzellen anderer Bienen (oft spezifischer Arten) aufzusuchen und mit ihrem Ei zu belegen. Die Larven dieser „Kuckucksbienen“ schlüpfen in der Regel etwas schneller als die Wirtslarve. Die Parasitenlarve ernährt sich vom Wirtsei oder der Wirtslarve und von dem durch die Wirtsbiene eingetragenen Proviant.

Deutschlandweit sind bisher ca. 550 Bienen-, ca. 630 Stechwespen- und ca. 110 Ameisenarten bekannt. Für den überwiegenden Teil werden nur wissenschaftliche Namen verwendet, da deutsche Namen zur Differenzierung der zahlreichen Arten i.d.R. zu lang wären oder sehr konstruiert wirken würden. Unter den Stechimmen finden sich viele Arten, die aufgrund einer starken Anpassung an verschiedene Faktoren einen hohen Spezialisierungsgrad aufweisen. Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über die wichtigsten Anpassungsfaktoren:

  • Nistsubstrate - Zahlreiche Stechimmenarten zeigen eine spezifische Bindung an bestimmte Substrate zur Anlage ihrer Brutzellen. Von den etwa 555 in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorkommenden, nicht parasitisch lebenden Bienenarten nisten etwa 68 % in selbst gegrabenen Nestern im Erdboden (endogäisch) (MÜLLER et al. 1997). Nach WITT (1998) beträgt der Anteil an endogäisch nistenden Arten bei den Grabwespen ungefähr 60 %, bei den Wegwespen um 80 % und bei den Faltenwespen knapp 20 % (parasitische Arten sind in diesen Zahlen mit berücksichtigt). Die restlichen Arten nutzen die verschiedenen überirdischen (hypergäischen) Nistmöglichkeiten.(z. B. Totholz, Steine, Schneckenhäuser, Pflanzenstängel, Pflanzengallen) oder stellen selbst Brutzellen aus Ton oder Lehm her.
  • Makro- und mikroklimatische Verhältnisse - Die Verbreitung vieler Stechimmenarten ist stark von klimatischen Faktoren abhängig, so sind besonders wärmeliebende Arten häufig auf die kontinentaleren Bereiche Ost- und Süddeutschlands beschränkt. Auch bezüglich der besiedelten Lebensräume spielen klimatische Faktoren häufig eine große Rolle, so besiedeln Arten mit Bindung an kühlere Klimate häufig höhere Lagen oder Wälder, während die wärmeliebenden Spezies insbesondere in wärmebegünstigten Offenlandlebensräumen vorkommen.
  • Pollenquellen - Viele Bienenarten sind in besonderem Maße auf das Vorhandensein spezifischer Pollenquellen zur Verproviantierung ihrer Larven angewiesen. Neben den Arten, die Pollen an Pflanzen aus verschiedenen Pflanzenfamilien sammeln (Polylektie), haben viele andere Spezies sich morphologisch und in ihrem Sammelverhalten an Blüten einer Pflanzenfamilie (Oligolektie) oder im Extremfall sogar einer Pflanzengattung (Monolektie) angepasst.
  • Beutetiere zur Eigen- oder Brutversorgung - Arten aus verschiedenen Gruppen haben sich auf die Jagd nach bestimmten Beutetieren spezialisiert, mit denen in erster Linie die Brutkammern für die Larven verproviantiert werden. Besonders häufig werden bestimmte Insektengruppen bzw. deren Larven (z.B. Blattläuse, Kafer, Schmetterlinge, Fliegen u.a.) eingetragen. Auch Spinnen werden von einigen Grabwespen, aber besonders von zahlreichen Wegwespen erbeutet. Auch zur Eigenversorgung erbeuten einige Arten Beutetiere, so ernähren sich bspw. die Weibchen der Zikadenwespen hauptsächlich von Zikadenhämolymphe.
  • Wirt-Parasit-Beziehungen - Zahlreiche Stechimmenarten (teilw. ganze Familien) leben als Parasitoide bzw. Brutparasiten. Sie schmuggeln ihre Eier in die Brutzellen anderen Stechimmenarten um sich als Larve von der Wirtlarve oder aber vom eingetragenen Proviant des Wirtes zu ernähren und sich somit der eigenen Brutversorgung zu entledigen. Viele dieser parasitischen Arten haben sich dabei vollständig auf eine Wirtsart spezialisiert und sind vom gedeihen dieser Art gänzlich abhängig.

Der hohe Spezialisierungsgrad hat zur Folge, dass viele Arten unter den Stechimmen sehr empfindlich auf Veränderungen ihrer Lebensräume reagieren. Schon schwache Einflüsse, die sich auf die oben genannten Faktoren auswirken, spiegeln sich im Artenspektrum und in der Populationsdichte vieler Stechimmen-Arten wider. Daraus resultiert zum einen die Tatsache, dass ein nicht geringer Anteil der in Deutschland vorkommenden Arten aufgrund der Lebensraumveränderungen akut gefährdet und in den Roten Listen vertreten ist, zum anderen, dass sich diese Tiergruppe besonders gut dazu eignet, Veränderungen in ihren Lebensräumen aufzuzeigen (Indikatorfunktion).

Die folgenden Internetseiten bieten ebenfalls interessante Informationen zur Biologie von Stechimmen: